LiteraTour – literarische Reise nach Georgia
Die nächste Station auf meiner literarischen Reise durch die Bundesstaaten der USA führt nach Georgia, einen der typischen Südstaaten. Georgia ist Handlungsort für viele Romane, so dass ich mich wieder für die Vorstellung mehrerer Bücher entschieden habe.
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Georgia wurde als vierter Bundesstaat in die United States of America am 3. Januar 1788 aufgenommen.
Georgia trägt den Spitznamen „Peach State“.
Das Motto lautet Wisdom, Justice, Moderation.
Die Hauptstadt von Georgia ist Atlanta.
Von TUBS – CC BY-SA 3.0
Südstaaten historisch
In Georgia lässt sich auch heute noch das frühe 19. Jahrhundert der Südstaaten mit seinen Plantagen, Herrenhäuser, aber auch den Spuren der Skalverei und der Bürgerrechtsbewegung erleben.
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Die Grafik1 zeigt die Entwicklung der Sklavenstaaten und freien Staaten in den Vereinigten Staaten bis zum Amtsantritt Lincolns. 1861 drohte die Union an der Einstellung zur Sklaverei zu zerbrechen. Diese Uneinigkeit bewog Abraham Lincoln – nach einer Abkehr von der Politik – wieder in diese zurückzukehren.
Dank seines rednerischen Geschicks gelang es ihm 1861 zum Präsidenten gewählt zu werden. Sein vorrangiges Ziel war es die Union zu retten.
Lincoln konnte den Bürgerkrieg (1861 – 1865) nicht verhindern, der zum blutigsten Krieg zwischen den Sezessionsstaaten (die sich von der Union abspalteten) und der Union wurde. Vordergründig wurde das Ziel angeführt, die Demokratie retten zu wollen. Der Roman von Doctorow (s.u.) beginnt 1864 in Georgia, als unter Führung von General Sherman durch einen Korridor der Verwüstung der Siegeszug der Unionsanhänger eingeleitet wird.
Bereits vor dem Bürgerkrieg hatten immer mehr Menschen versucht, sich aus der Sklaverei durch eine Flucht in die Nordstaaten zu befreien. Bereits in den 1780er Jahren entwickelte sich ein Netzwerk aus Fluchthelfenden, das später unter dem Namen „Underground Railroad“ bekannt wurde. Eine unterirdische Eisenbahn, wie sie Colson Whitehead (s.u.) in seinem Roman beschreibt, gab es nicht. Das Netzwerk bediente sich allerdings Begriffen wie „Stationen“ und „Stationswärtern“ bei der Organisation.
Neben den genannten Romanen spielt auch der Klassiker von Margaret Mitchell „Vom Winde verweht“ in Georgia.
Bücher, die in Georgia spielen
E.L. Doctorow Der Marsch Originaltitel: The March Kiepenheuer&Witsch, 2007 416 S. | Historischer Roman über den Bürgerkrieg Der Bürgerkrieg zwischen den Nordstaaten (der Union) und den – losgelösten – Sezessionsstaaten war eine zähe, harte Auseinandersetzung. Das Ende des Krieges zeichnete sich ab, als General Sherman ausgehend von Georgia ein Meer der Verwüstung hinterließ. Mehr zum Inhalt | |
Carson McCullers Das Herz ist ein einsamer Jäger Originaltitel: The Heart Is a Lonely Hunter Diogenes Verlag, 2012 592 S. | Klassiker Der Roman von McCullers ist in den frühen 30er Jahren des 20. Jahrhunderts in einem kleinen Städtchen in Georgia angesiedelt. Zwei Taubstumme, ein schwarzer Arzt, ein junges Mädchen, das von eigenen Kompositionen träumt, die Figuren im Roman sind gezeichnet von einer Einsamkeit und Enttäuschung. Mehr zum Inhalt | |
Alice Walker Die Farbe Lila Originaltitel: The Color Purple Ecco Verlag, 2021 320 S. | Ein Entwicklungsroman Celie, ein schwarzes Mädchen schreibt in Briefen an Gott von ihrem Leben, von dem, was sie niemandem erzählen kann. Alice Walker erzählt von dem leidvollen Leben zweier Schwestern in den Jahren zwischen 1900 und 1940, das zwischen all dem Leid auch trost- und hoffnungsvolle Momente enthält. Mehr zum Inhalt | |
Thomas Mullen Dark Town Originaltitel: Dark DuMont Verlag, 2018 494 S. | Gesellschaftskritischer Kriminalroman Der Roman „Dark Town“ spielt in Atalanta im Jahr 1948, als die ersten schwarzen Cops in den Polizeidienst aufgenommen werden. Eine schwarze Frau wird ermordet aufgefunden. Für den Fall interessiert sich eigentlich keiner, bis auf zwei „Negro Officer“. Unterstützung finden sie von einem weißen Cop. Im Vordergrund steht hier nicht die spannende Kriminalgeschichte, sondern die Schilderung der Bedingungen unter denen die beiden Negro Officer arbeiten müssen. Sie haben keinerlei Befugnisse und müssen sich mit der Anfeindung sowohl bei den weißen Kollegen als auch dem Misstrauen bei der Schwarzen Bevölkerung auseinandersetzen. Selbst Selbstverständlichkeiten werden ihnen nicht erlaubt. So dürfen sie auf dem Weg zum Dienst oder Gericht keine Uniform tragen, müssen diese vor Ort wechseln. Mir hat das Buch vor Augen geführt, auf wie vielfältige Weise Rassismus im Alltag spürbar sein kann. | |
Colson Whitehead Underground Railroad Carl Hanser Verlag 2017 352 S. | Flucht aus dem Süden – Vermischung von Fiktion und Realität Die 15jährige Cora lebt, nach der Flucht ihrer Mutter, als Sklavin allein auf der Randall-Farm in Georgia. Von ihrer Großmutter hat sie ein Stückchen Land übernommen, das sie gegen alle Widrigkeiten verteidigt. Dennoch kann sie nicht verhindern, in eine Gemeinschaftseinrichtung für Frauen (Hob) umziehen zu müssen. Als sich ihre Situation zuspitzt, flieht Cora zusammen mit Caesar, einem Sklaven, der lesen kann, durch die Sümpfe Richtung Norden. Über Stationen in South Carolina, North Carolina, Tennessee führt ihr Weg nach Indiana. Indem Whitehead eine unterirdische Eisenbahn fiktiv als Fluchtmaschine nutzt, löst er sich von der genauen Wiedergabe der historischen Umstände. Der Roman beschreibt sehr differenziert das Netzwerk aus Unterstützenden, aber auch die Fülle an Ungerechtigkeiten auf diesem Weg. Ein komplexer Roman, der durch die Vielzahl an Rückblenden und Orten nicht leicht zu lesen ist. Mich konnten die Personen nicht ganz gefangen nehmen, trotzdem ein bewegendes, lesenswertes Buch. |
Der Marsch
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E.L. Doctorow
Der Marsch
Originaltitel: The March
Aus dem Englischen von Angela Praesent
Kiepenheuer&Witsch, 2007
416 S.
KiWi-Verlag
Der Roman beginnt im Jahr 1864. Der Bürgerkrieg liegt in den letzten Zügen. Mit aller Entschlossenheit geht General Sherman gegen die Rebellen der Südstaaten vor, die kaum noch Chancen gegen die Armee der sogenannten Union haben.
Eine breite Spur der Gewalt und Verwüstung lässt der Heerestross auf seinem Marsch durch die US-Staaten Georgia, South – und North Carolina hinter sich. Sherman ist überzeugt, dass es sich lohnt für die Union (und für seinen Erfolg) zu kämpfen.
Ich kämpfe für eine Sache. Ich habe einen Auftrag. Und was ich mache, das mache ich auch gut. Und Gott möge mir verzeihen, aber es beglückt mich, von Männern meines Ranges gepriesen und von meinen Landsleuten verehrt zu werden. Es geht um Menschen und Nationen, um Recht und Unrecht. Um diese Union. Und sie darf nicht untergehen.
Schicksal einzelner
Doctorow verwebt das Schicksal einzelner Menschen mit dem Vordringen der Truppen um General Sherman. So gibt es die beiden Deseteure, Will und Arly. Sie nutzen die Gunst der Stunde, schlagen sich mal auf die eine, mal auf die andere Seite der Truppen, je nachdem, wie sie ihre Chancen einschätzen unerkannt weiter zu kommen. Die hellhäutige Negerin Pearl entgeht als Trommlerjunge verkleidet ihrer Entdeckung. Die Farmerstochter Emily wird zur Krankenschwester und Assistentin von Sartorius, einem deutschen Arzt. Die Schicksale der einzelnen Personen überkreuzen sich und enden häufig mit dem Tod. Es wird sehr anschaulich deutlich, welche Auswirkungen dieser grausam geführte Krieg hinterlässt.
Mir hat das Buch geholfen eine Vorstellung vom amerikanischen Bürgerkrieg zu bekommen, dessen Spuren bis heute tief verinnerlicht im Süden Amerikas anzutreffen sind. Auch wenn mit dem Sieg das Ende der Sklaverei begann, mussten alle Seiten hohe Verluste hinnehmen. Zu wünschen bleibt, dass dies auf anderen Wegen möglich gewesen wäre.
Das Herz ist ein einsamer Jäger
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Carson McCullers
Das Herz ist ein einsamer Jäger
Originaltitel: The Heart Is a Lonely Hunter
Aus dem amerikanischen Englisch von Susanna Rademacher.
Mit einem Nachwort von Richard Wright
Diogenes Taschenbuch, 2012
592 Seiten
Diogenes
Als ihr Roman erschien, war Carson McCullers gerade mal 23 Jahre alt. Ich hatte vor dem Lesen eine Dokumentation über ihr Leben im Fernsehen gesehen. Es schien, als wenn Carson McCullers früh geahnt hat, dass ihr nicht viel Zeit im Leben bleibt. Sie hat sich trotz ihrer gesundheitlichen Einschränkungen mit großer Intensität der Schrifstellerei und dem Künstlerleben gewidmet.
Taubstummer Zuhörer
Die Geschichte spielt Ende der 1930er Jahre als die Wirtschaftskrise deutliche Auswirkungen zeigt. Zu Beginn des Romans wird von zwei Taubstummen (Singer und Antonapoulos) berichtet, die gegensätzlicher kaum sein können. Beide verbindet jedoch die Verständigung über die Gebärdensprache, so dass sie sich zusammen tun und gemeinsam in einer Wohnung leben. Eines Tages verliert Antonapoulos die Lust an seinem eintönigen Leben, wird auffällig und muss schließlich in eine Anstalt eingeliefert werden. Von da an ist Singers Leben aus der Bahn geworfen, bis er in einer Mietwohnung bei den Kellys ein neues Zuhause findet.
Mick Kelly, die älteste Tochter, beobachtet den neuen Bewohner genau. Sie ist fasziniert von seiner Gabe des Zuhörens und seinem Einsatz für andere Menschen. So lässt er eines Nachts einen Betrunkenen (Blount) bei sich schlafen und verhilft ihm später zu einer Anstellung auf einem Rummelplatz. Mick selbst träumt davon eine bedeutende Komponistin zu werden. Portia, das Hausmädchen der Kellys ist die Tochter des dunkelhäutigen Arztes Copeland. Copeland tut sich schwer seinem Sohn zu verzeihen. Portia bemüht sich vergeblich um Vermittlung.
Ein zentrales Thema des Romans ist die Liebe einer Person zu einer anderen, die diese nicht an sich heran lassen kann. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation nehmen Konflikte und Frustration zu, die zusätzlich durch den Hass zwischen Schwarzen und Weißen genährt werden. Einsamkeit ist bei allen Personen ein verbindendes Element. Ein Klassiker, der mich von Anfang an in die Lebensgeschichten der Menschen in einem kleinen Ort im Georgia der 1930er Jahren hereingezogen hat.
Die Farbe Lila
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Alice Walker
Die Farbe Lila
Originaltitel: The Color Purple
Übersetzung: Aus dem amerikanischen Englisch von Cornelia Holfelder-von der Tann
Ecco Verlag, 2021
320 S.
eccoverlag.de
Alice Walker ist die erste afro-amerikanische Schriftstellerin, die für ihren Roman „The Color Purzle“ mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde. Das Buch erschien 2021 neu übersetzt von Cornelia Holfelder-von der Tann.
Erzählt wird die Geschichte von Celie, insbesondere von ihrem Verhältnis zu ihrer Schwester Nettie, zur ihrer Geliebten Shug Avery, zu ihrer Schwägerin der starken Sofia und zu Mr_, ihrem Ehemann, mit dem sie am Ende trotz aller Leiden etwas verbindet.
Roman in Briefen
Der Roman besteht aus den Briefen, die die zu Beginn 14-jährige Celie an Gott, später an ihre Schwester schreibt. Sie erzählt ihm – zu der Zeit dominiert in ihrer Vorstellung noch ein männliches Bild von Gott – von der Pein, die sie während der Vergewaltigung durch ihren Vater erlitten hat. Von ihm geschwängert muss sie ihre Kinder gleich nach der Geburt weggeben. Die Briefe ermöglichen Celie, sich alles von der Seele zu schreiben. Als ihre Mutter stirbt, nimmt sich ihr Vater eine neue Frau, kaum älter als Celie. Aus Sorge um ihre Schwester Nettie heiratet Celie Mr__ . Mr__ – sein Name wird erst ganz zum Schluss genannt – ist ein Witwer mit drei Kindern. Er interessiert sich für Nettie. Ihr Vater überredet ihn jedoch Celie zu nehmen, da sie die Ältere sei. Sehr verletzend äußert er sich:
Na ja, wenn Sie nächstes Mal da sind, können Sie sie ja angucken. Sie ist hässlich. Sieht gar nicht aus, wie wenn sie mit Nettie verwandt sein könnt. Aber sie gibt die bessere Frau ab. Sie ist auch nicht besonders gescheit und ich sag’s ehrlich, man muss sie im Aug behalten, sonst gibt sie alles weg, was man hat. Aber sie kann arbeiten wie ein Mann.
Bei Mr__ wird das Leben für Celie nicht einfacher. Die Kinder respektieren sie nicht, Mr__ behandelt sie herablassend. Einzig der Besuch von Nettie richtet Celie wieder auf, bis diese allerdings nach kurzer Zeit fliehen muss, da sie von Celies Mann bedrängt wird.
Erst als ihr Mann seine Geliebte Shug Avery ins Haus holt, verbessert sich Celies Situation. Sie verliebt sich in Shug und lernt von ihr, dass echte Liebe nichts mit Gewalt zu tun hat. Durch Shugs Liebe und die Freundschaft weiterer Frauen geht Celie endlich gegen alle Widerstände ihren Weg. Celie schreibt an ihre wiedergefundene Schwester:
Nach all dem Schlimmen, was er (ihr Mann) gemacht hat, musst du dich ja wundern, dass ich ihn nicht hass. Ich hass ihn aus zwei Gründen nicht. Erstens, er liebt Shug. Und zweitens, Shug hat ihn mal geliebt. Und außerdem versucht er scheints wirklich, was aus sich zu machen. …. Ich mein, wenn man jetzt mit ihm redet, hört er wirklich zu, und einmal hat er, wie wir uns unterhalten haben, so aus dem Nichts gesagt, Celie, ich bin sicher, das ist das allererste Mal, dass ich als natürlicher Mensch durch die Welt geh. Fühlt sich an wie eine ganz neue Erfahrung.
Deutlich wird in den Briefen der Schwestern auch, wie sich der inzwischen unterschiedliche Bildungsstand in ihrer Sprache ausdrückt, mit der die beiden ihre Lebenssituationen beschreiben und reflektieren.
Womanism
Alice Walker ist eine Vertreterin des „Womanism“. Der Begriff wurde von ihr erstmals in einer ihrer Short Storys 1979 benutzt. Er stellt ein Gegenstück zum (weißen) Feminismus dar, indem er die kulturelle und geschichtlichen Hintergründe afroamerikanischer Frauen herausstellt. Alice Walker schreibt: „The womanish girl exhibits willful, courageous, and outrageous behavior that is considered to be beyond the scope of societal norms“2 Diese Beschreibung trifft auf Celie, Shug und Sofia zu und führt lebendig vor Augen was mit „Womanismus“ gemeint sein kann. Mich hat der Roman sehr beeindruckt und er hat mir eine neue Perspektive auf die Geschichte afroamerikanischer Frauen eröffnet.